11.7. / 12 Uhr - nach fast zwei Monaten und 4004 Kilometern bin ich zurück in Dresden
Noch schwirren mir die Eindrücke der letzten zwei Monate durch den Kopf - die Bilder, die Bekanntschaften, die Zweifel und die Freude.
Das täglich bestimmende Raster: Zeltabbau, 50-100km Radfahren, Zeltaufbau, Dusche, Essen organisieren, Web-Seite bearbeiten, das Tagebuch schreiben, die Strecke für den Folgetag mit Übernachtung festlegen ist noch zu präsent.
Die Kurzzusammenfassung: Es war anstrengend, es war beeindruckend, es war wunderschön!
Für Statistiker:
4004 Kilometer, 51 Tage auf dem Rad, 78km/Tag auf dem Rad, 12 Ruhetage
5.-11.7. Heimspiel im Osten von Deutschland
Das Heimspiel ging sehr beschwerlich los. Die Glewitzer Fähre, die mich von der Insel Rügen auf des Festland bringen sollte hatte wegen zu viel Wind die Arbeit eingestellt. Mir bleib nur der riesige Umweg über den Rügendamm nach Stahlsund. Immer im heftigen Gegenwind. Vor meiner Nase wurden dann dort auch noch die Zugbrücke hoch gezogen.
So bleib mir Zeit die neue Route zu suchen. Mit einer Übernachtung in der Demminer Mühle war mein Ziel Röbel/Müritz. Dort wartete ein Bett bei meiner Schwester auf mich. Bevor ich jedoch die Müritz erreichte musste ich noch einmal hart kämpfen. Die letzten 20 Kilometer des Radweges nach Waren sind eher ein Singeltrail für MTB-Radler. Sand, Schlamm und schlimmes Kopfsteinpflaster wechselten sich ab. Für mich war das die Ausrede mit dem Schiff die Müritz zu überqueren und so 25 km zu sparen.
Nach einer weiteren Übernachtung in Neuendorf ging es dann längs durch Berlin - gefühlt 80 Kilometer Stadtverkehr. In der Nähe von Erkner fand ich Unterschlupf bei guten Freunden. Die folgende Etappe bis zum Zeltplatz am Senftenberger See war mit 144km mein Rekord der ganzen Reise. Der Strecke über Märkisch Buchholz/Lübben ist jedoch sehr schön. Viele gute Radwege durch die Wälder Brandenburgs bringen Erleichterung.
Die restlichen 75 Kilometer bis Dresden waren pures Genussradeln.
4.7. Planänderung - Fähre nach Sassnitz
An der Südspitze von Schweden hab ich kurzfristig meinen Plan geändert und bin eben auf die Schnellfähre nach Sassnitz gestiegen. Die ist gerade losgefahren - es soll Wellen geben 😒.
Durch die Änderung spare ich mir den Stress mit der Öresundbrücke über die ich eine Bahn gebraucht hätte.
Da ich von Sassnitz über die Insel Rügen, Röbel/Müritz/Berlin fahre ändert sich die Streckenlänge kaum.
3.7. Trelleborg
Die weitere Strecke von Karlskrona Richtung Åhus führt zunächst noch durch die Schärenlandschaft mit vielen schönen Waldgebieten. Ab Simrishamn ist man fast immer ganz nahe an der Küste mit schönen menschenleeren Sandstränden. Ab Ystad ändert sich das. Es gibt hier sehr viele Touristen. Die Zeltplätze sind rappelvoll. Der Kontrast zum Norden ist extrem. Ich hatte damit Probleme.
Die Gegend sollte für Krimifans ein Begriff sein. Kommissar Wallander in Ystad kennt fast jeder. In Simrishamn ermittelt Kommissar Vinston im Urlaub ganz nebenbei Mordfälle. Ich lese gerade den Teil „In Schweden stirbt es sich am Schönsten“ von Andreas de la Motte & Måns Nillsson.
29.6. Karlskrona - Fußball - First Hotel Statt
Als ich von Oskarshamn nach Süden unterwegs war hat mich ein guter Freund mit dem Hinweis versorgt: es gibt wieder Fußball. Die Fußball EM war bei mir etwas in Vergessenheit geraten. Darum habe ich in Karlskrona ein Hotel mit daneben liegender Sportbar gebucht. Ohne dem Hinweis wäre ich an Karlskrona vorbei geradelt und hätte viel verpasst:
Das First Hotel Statt - eine alte Dame, innen wunderschön, für 50€ pro Nacht mit Frühstück.
Die Stadt - mit interessanten Bauten, u.a. der Friedenskirche die zum Weltkulturerbe gehört.
Den Fußball - Deutschland hat das Achtelfinale gewonnen.
Da ein Regentag bevorstand habe ich einen Tag im Hotel nachgebucht.
Karlskrona hatte sich gelohnt. Danke Lothar.
26.6./27.6. Oskarshamn - Ruhetag
Inzwischen bin ich im Südosten von Schweden in der Provinz Kalmar län angekommen. Oskarshamn liegt gegenüber der Insel Öland. Von hier gehen die Fähren nach Gotland ab.
Hinter mir liegen ereignisreiche und harte Radeltage durch die Schärenlandschaft an Schwedens Ostseeküste.
Die Strecke geht hier sehr viel auf kleinen Straßen, teilweise auf Schotterwegen. Wald, Felshügel und kleine Felder wechseln sich ab. Das „Waschbrett“, das ständige auf und ab mit kleinen und steilen Bergen gehört zu den Schären. Wie aus dem Nichts tauchen immer wieder sehr schöne kleine Orte an der Küste auf.
Genau zu Mittsommer, an einem Freitag, ist mir der Bowdenzug der Schaltung gerissen. Zu Mittsommer geht hier wirklich gar nichts - alles zu. Ich musste dann wie zu DDR-Zeiten mit einer Dreigangschaltung (nur die Kettenblätter) radeln. Der Umweg über Norrköping mit plus 100km brachte die Lösung. Am Montag 10 Uhr surrte das Rad wieder.
Aber es ist jetzt Feriensaison. Die Zeltplätzen am Meer sind voll. Hier unten im Süden sind viele Deutsche in ihren großen Schneckenhäusern unterwegs sowie viele Familien mit Kindern zum Badeurlaub.
Highlights sind das Zusammentreffen mit anderen Radlern. Allerdings nur mit solchen die nicht nur das Nordkapp in xx Tagen im Hirn haben.
Da gibt sehr interessante Typen. Zum Beispiel Aurel aus Rumänien der gar nicht so genau wusste wo er eigentlich gerade ist. Aber für ihn ist das nicht so wichtig. Er hat schon 6600km auf der Uhr und radelte nach Himmelsrichtung, aktuell gen Süden. Oder Aino-Astrid Gaedtke die zu einem Kunstworkshop für den Schmuck der Ostsee unterwegs ist. Oder Frauke und Joachim aus der Nähe von Bremen auf dem Weg nach Helsinki. Alles sehr nette Typen.
19.6. Stockholm
In Gävle hatte mich ein Schwede überredet nicht entlang der Küste sondern über Uppsala nach Stockholm zu radeln. Uppsala mit Dom, toller Innenstadt, vielen Kneipen …darf ich nicht auslassen. Da die Strecke ausserdem ungefähr einhundert Kilometer kürzer ist war es leicht mich zu überreden. Es hat sich gelohnt. Uppsala ist für mich die bis jetzt schönste Stadt in Schweden.
Seit gestern bin ich in Stockholm und hier vom Rad auf ein Schiff umgestiegen. Ich übernachte ein paar Tage auf einem Hostelschiff direkt im Zentrum, 15 Gehminuten von der Altstadt entfernt.
Das Rad bleibt angeschlossen auf dem Schiff und ich erkunde jetzt fussläufig den Innenstadtbereich. Außerdem muss ich mir noch eine Sportbar suchen. Heute gibt’s wieder Fußball.
15.-16.6. Gävle mit Ruhetag
Seit dem letzten Ruhetag in Örnsköldsvik bin ich fast 600km geradelt. Hab die 2000km Grenze geknackt und übernachte jetzt zwei Nächte in einem Hotel in Gävle, der letzten größeren Küstenstadt vor Stockholm.
Mich hat jetzt „durchwachsenes“ Wetter eingeholt. Schon bei der Abfahrt aus Örnsköldsvik sah der Himmel böse aus. Es gab einen richtigen Regentag. Später dann Schauerwetter mit Blitz, Donner und Hagel. Einmal musste ich in einer Stuga übernachten. Dort war warm, trocken - fast gemütlich. Am Tag darauf hatte der Zeltplatz in Borka das DDR-Niveau von vor 40 Jahren. Mit 250 SEK war er bis jetzt der Teuerste. Den sollten Radler meiden! Einen Tag davor auf dem Camping Älvsta, der von Schweizern geführt wird war alles vom Feinsten (300 SEK mit Frühstück).
Ein großes Stück der Route führte mich auf dem „Kustvägen“, angeblich einer der zwölf schönsten Touristikstrassen in Schweden. Nach sechzig Kilometern im Sattel nur durch den Wald sieht man das ein wenig anders.
Morgen geht es weiter Richtung Stockholm. Die knapp 300km sollte ich in der kommenden Wochen schaffen.
8.6. - 10.6. Örnsköldsvik - Ruhetage
Hierher hat mich eine angekündigte Schlechtwetterfront geführt. Mit einem Ruhetag wollte ich dem Regen entkommen.
Das Radeln an der schwedischen Küste in der Västerbotten län Provinz bietet tagelang viel Wald und Abgeschiedenheit. Dann tauchen plötzlich mittelgroße moderne Städte auf. Das war in Umeå und erst recht hier in Örnsköldsvik so.
Neu in den letzten Tagen hat auch Anzahl der Langstreckenradler deutlich zugelegt:
Drei Schweizer, ein Österreicher und die sympathische und sehr schnelle Sarah aus Freiberg (!). Sie hat mich mit den Worten begrüßt: „Du bist Opa Didi. Jetzt hab ich dich eingeholt“. Von anderen Radlern, die ihr entgegen kamen hatte sie von mir gehört. Sarah ist in Kiel gestartet und hat in 45 Tagen schon Deutschland, Polen, das Baltikum und die ganze finnische Küste hinter sich gebracht.
Vor Örnsköldsvik bin ich an dem Schild „Welcome to The High Coast“ vorbei gekommen. Hat mich gewundert, alles war da flach wie ein Brett. Das hat sich schnell geändert. Hier, direkt im Ort reicht es sogar für ein große Skisprungschanze, auf Meereshöhe! Die nächsten Tage wird das Radeln anspruchsvoll.
Leider hat sich das schlechten Wetter verzögert. Ich muss wohl einen Tag länger hier bleiben.
Das Hotel (www.park-hotell.se) ist für den Preis (ca. 60€ pro Nacht) genial, mit tollem Frühstück, sehr nahe am Zentrum.
Kaffee und Kekse den ganzen Tag zur Selbstbedienung. Das Rad schläft mit im Hotel.
3.6. Schon 4 Tage in Schweden
Die Grenze war leider völlig unspektakulär. Keine Grenzstation, kein Schild einfach gar nix. Nur durch das Navi und die neuen Schilder am Radweg (Sverigeleden, Cykelspåret) war mir klar: das ist Schweden.
Als Einstimmung gab es eine Stunde nach der Grenze eine 30km Gravelstrecke vom Feinsten: frisch mit Splitt beleg. Aus dem Gebüsch hat mir ein Elch zugeschaut und sich wohl sehr gewundert. Die Zugabe war der noch geschlossene Zeltplatz in Kalix. Im Hotel wollte ich das IPhone (XS laut Hersteller wasserdicht) vom Dreck der Gravelstrecken befreien. Der Dreck war schnell weg und des Telefon kaputt. Es hatte zuviel Wasser gesehen. Ohne Telefon bin hier blind und taub. Weiß nicht wo ich lang fahren wollte und kann die Übernachtungen telefonisch nicht vorab erfragen —> Katastrophe. Der nächste Reparaturladen war nur 80km entfernt, in Luleå. Dorthin bin ich am nächsten Morgen direkt über die E4 gedüst, war gegen Mittag (Freitag!) da und eine Stunde später ging das blöde Ding wieder. Ein Ruhetag war fällig.
Heute, auf dem Weg von Piteå nach Skelleftea ist mir ein Schwede aus dem letzten Dorf mit dem Auto hinterher gefahren. Er wollte mir sagen das ich falsch bin. Zum Nordkapp ginge es genau in die andere Richtung. Der Grund: Diese Strecke ist wohl ein wichtiger Abschnitt in Richtung Norden. Prompt kamen mir auch ein schnelles Pärchen aus Hamburg entgegen. Später hab ich noch einen Niederländer mit Liegerad getroffen.
Ein Pärchen aus NWR ist mit Hund nach Helsinki und Tallinn unterwegs. Der Hund muss sich immer ein paar Kilometer bewegen, dann darf er in Trailer. Hund müsste man sein.
Mein Zelt im Camping Skelleftea steht direkt auf der Skipiste. Vor vier Wochen soll es hier noch Schnee gegeben haben?
29./30.5 Finnland ist abgeradelt
Mit 1300km liegt die finnische Etappe schon hinter mir. Ich bin selbst überrascht wie schnell das ging.
Nach dem Ruhetag in Oulu wollte ich es wissen und unbedingt bis Lappland kommen.
Es hat geklappt. Nach 109Km stand ich auf dem unglaublichen Zeltplatz von Kemi. Eigentlich ein Hotel, mit angeschlossenen Luxusbungalows und ein Stück Wiese. Extra für mich? Am Morgen hatte ich mich in Fahrradklamotten in den Frühstücksraum unter die Leute im Businessdress geschlichen. Ist kaum aufgefallen😉. Aktuell finden hier Seminare statt. Zum abkühlen gibt es in einer großen Halle eine Eiswelt bei -6 Grad. Als ob hier oben nicht genug Winter ist. Manchmal versteht man die Finnen einfach nicht.
Diese Sprache! Als Beispiel das Schild für einen Bankomaten: Otto !
Finnland ist das Land der Radfahrer ohne viele Radfahrer. Es gibt in jeder noch so kleinen Stadt tolle Radwege. Jede Kreuzung einer Hauptstraße ist untertunnelt oder hat Zebrastreifen. Radfahrer haben immer Vorfahrt. Selbst Radwege-Umleitungen kann man nicht übersehen.
Ich habe mich in Finnland unglaublich wohlgefühlt! Die Finnen sind sehr zurückhaltend, aber spätestens ab der Frage nach dem Wetter sehr freundlich und
hilfsbereit. Selbst in den einfachen Jobs sind die Leute extrem nett, mit scheinbar guter Bildung. Die „Abgehängten“ (außer den Alkis) gibt es wohl nicht.
Meine „Probleme“: Lesebrille gebrochen, IPhone kaputt, Olivenöl ausgelaufen, 2x Ladekabel IPhone gebrochen,…waren alle schnell lösbar.
Morgen geht es über die Grenze nach Schweden.
Das ist der Umkehrpunkt. Danach fast immer nach Süden, d.h. bergab, oder ?
27.-28.5. Ruhetag in Oulu
Die letzten zwei Tagesetappen nach Oulu waren sehr unterschiedlich.
Aus meinem Tagebuch:
26.5.
65 km, 320Hm, 13 Km/h
Permanenter Gegenwind. Die Beine sind sehr schwer, wie Blei.
Bis Oulu noch 80km - heute unerreichbar. Ich bin total breit.
Zum Glück hatte der Zeltplatz in der Nähe von Raahe geöffnet.
Nachdem ich das Zelt aufgebaut hatte ist der Wind eingeschlafen!
27.5.
84km, 254Hm, 19km/h
Gestern hatte ich dicke Zweifel. Wie soll das noch 3000km weitergehen?
Heute das ganze Gegenteil. Eine irre Rückenwindfahrt.
Die ersten 40km mit einem Schnitt von 22km/h. Trotzdem sehr relaxt.
Ich war schon 14 Uhr in Oulu.
Ein Langstreckenradler, der meine Tour in umgekehrter Richtung fährt hatte mich gewarnt. Oulu sei die letzte „größere Stadt“ vor Stockholm!
Da würde ich mal ein Fragezeichen daran setzen.
Oulu ist die IT-Hauptstadt von Finnland sein. Hier gibt es eine große Uni.
Die Stadt ist sehr modern und voller jungen Menschen. Überall wird gebaut.
Das Netz der Radwege ist gigantisch.
Es gibt einen schönen Strand und ein paar Finnen baden da schon.
Mir ging es hier sehr gut. Die schöne Zeltplatzküche habe ich reichlich genutzt.
Morgen Richtung Lappland wird sich zeigen was meine Beine so sagen.
Genau vor zwei Wochen war in Helsinki der Start meiner Radreise.
Heute habe ich die ersten 1000km geknackt. Mindestens drei mal so viel sollen es noch werden.
Allerdings wird es nicht in diesem Tempo weitergehen. Aktuell will ich nur das gute Radwetter nutzen. Mir sitzt die Angst vor Schnee in Lappland im Nacken.
Wenn es in Schweden wieder nach Süden geht werden die Streckenlängen „altersgerechter“ sein.
Heute bis gegen Mittag gab es schon mal eine sehr kalte Nebelfahrt. Am Ende war der Nebel aufgezogen, dafür kam Gegenwind auf.
Morgen vielleicht bis nach Oulu. Dann ist es bis Lappland nicht mehr weit.
Heute bin ich 11 Tage unterwegs. Reichlich 800km liegen hinter mir.
Die Frage auf was ich mich da wohl eingelassen habe stellt sich natürlich immer wieder. Bis jetzt gibt es darauf nur positive Antworten. Das Wetter: ein Bilderbuch, die Knie: spielen mit, das Rad: läuft wie ein Uhrwerk.
Die Schären im Süden von Finnland sind ein anspruchsvolles Radelgebiet - ein Waschbrett. Ganz viele kleine giftige Anstiege, meist mehr als 15%. Eigentlich immer auf Meereshöhe stehen am Abend 500-1000 Höhenmeter auf der Uhr. Der Ruhetag in Turku war nötig. Die Übernachtung auf einem alten Dampfer, der als Hostel umgebaut ist, hatte Seltenheitswert.
Ab Turku wurde es deutlich flacher. Aber hier, in Küstennähe macht sich der Wind bemerkbar. Er war nicht immer mein Freund.
Wie ich erwartet hatte gibt es natürlich viel Wald aber auch noch eine gute Infrastruktur. Den Kocher habe ich so noch nicht gebraucht und ein abendliches Kaltgetränk war immer zu haben.
In des Summe: Sonne, Wald, ein Elch, eine Mücke.